Donnerstag, 12. Juni 2008

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Ich denke zum Beispiel, dass man sich kaum vorstellen kann, wie sehr der schönen Helena der trojanische Krieg egal war. Ich glaube nicht, dass sie sich etwas darauf einbildete: Damit hätte sie den menschlichen Heeren schon zu viel der Ehre erwiesen.

Ich denke, dass sie weit über der ganzen Angelegenheit stand und sich im Spiegel betrachtete.

Ich denke, dass es ihr ein Bedürfnis war, die Blicke auf sich zu ziehen – wobei es wenig darauf ankam, ob nun die Blicke der Krieger oder der Versöhnler: Von den Blicken erwartete sie, dass sie ihr etwas über sie selbst sagten, und nur über sie selbst, nicht über diejenigen, die sie auf sie richteten.

Ich denke, dass es ihr ein Bedürfnis war, geliebt zu werden. Nicht, zu lieben: Zu lieben war nicht ihre Sache. Jedem das Seine.

Sollte sie den Paris geliebt haben? Es würde mich wundern. Aber es wird ihr lieb gewesen sein, dass Paris sie liebte. Was er sonst noch getrieben haben mag, hat sie nicht gekümmert.

Was war denn der trojanische Krieg? Eine ungeheuerliche Barbarei, blutrünstig, schändlich und ungerecht, im Namen einer Schönen verübt, der das ganze so egal war wie nur möglich.

Und alle Kriege sind der trojanische Krieg, und alle guten Sachen, um deren schönen Augen willen sie geführt werden, pfeifen darauf.

Denn das einzige, was über den Krieg ehrlicher Weise zu sagen wäre, wird nicht gesagt: Dass man Krieg führt, weil man den Krieg liebt und weil er ein guter Zeitvertreib ist. Eine gute Sache mit schönen Augen, für die man kämpfen kann, findet man allemal.

Und darum hat die schöne Helena recht, wenn sie meint, dass die Sache sie nichts anginge, und sich im Spiegel betrachtet.

Und mir gefiel sie sehr gut, diese Helena, die ich 1974 in Peking geliebt habe….

Amélie Nothomb

>Liebessabotage<>

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